Historie

Im Jahre 1922, vier Jahre nach Beendigung des 1. Weltkriegs, fand in Sandbochum die Gründung des Spielmannzugs "Grün Weiß" Sandbochum statt.

Die äußeren Rahmenbedingungen waren mehr als ungünstig. Inflation und Arbeitslosigkeit bedrohten das Gemeinwohl. Trotz dieser wiedrigen Umstände fanden sich in Sandbochum einige Idealisten, die den Spielmannszug ins Leben riefen. Wie alte Aufzeichnungen berichten, soll sich die Vereinsgründung in "Laums Dannen" (Lohmanns Tannen) vollzogen haben - ein Ereignis und Ort, der ein wenig vom Geist des "Rütli-Schwures" trägt.

Die Vereinsfarben sowie auch der Name sollen sich vom "Grün" der Tannen und vom "Weiß" des Sandes (Lippestrand Steilufer) ableiten.

Schon rasch wurde der Übungsbetrieb unter Mithilfe der nicht sandbochumstämmigen Krutzky und Keitel aufgenommen. Mit inflationsbedignten immensen Geldbeträgen (Millionen - Billionen) wurden Instrumente und Uniformen angeschafft.

Der erste öffentliche Auftritt erfolgte auf einem Polterabend bei der "Fam. Biermann im Saiten Eck". Hierbei wurde ein solch nachhaltend positiver Eindruck hinterlassen, dass die Welle der Begeisterung zu einer stürmischen Entwickung der Mitgliederzahl führte.

Nach einigen Jahren harmonischer Entwicklung kündigten sich die braunen Wolken der NS-Zeit an. Dienstverpflichtungen, Einberufungen, Schulungen, etc., sowie die Konfiszierung der Instrumente führte zur Erlahumung und Unterbrechung der Vereinsarbeit. Erst 1949 kam es anlässlich eines Polterabends bei der Familie Großecappenberg (Heide) zur ersten Aktivität nach dem Zweiten Weltkrieg.

Dem Vereinsgründer und Nachbarn Hermann Närdemann war es gelungen eine "Notformation" zusammenzurufen und den ersten Schritt in eine Bessere Zukunft zu tun. Mit vier aktiven Söhnen war die Familie Närdemann über einen langen Zeitraum ein echter Aktivposten im Vereinsleben. Unvergessen sind auch die Sondereinlagen, die Hermann gelegentlich auf dem Klavier zum Besten gab.

Die ersten Instrumente stammten aus Privatbesitz bzw. aus aufgelösten HJ-Beständen und waren entsprechend dürftig. Die erste Nachkriegsuniform konnte aus englischen Beständen angeschafft werden. Sie hat bei den älteren Vereinskollegen einen nachhaltigen Eindruck im Bezug auf Trageeigenschaften, Körperschnitt und Pflegeaufwand hinterlassen. Da war die weiße Hose zur Uniform schon eine deutliche Verbesserung.

Der erste "Nachkriegsnachwuchs" konnte konnte aus den Jungen des frühen Jahrgans 1930 bzw. älter gewonnen werden. Schon Anfang der 50er Jahre wurde eine intensive Jugendarbeit aufgenommen, aus der noch heute ein Großteil der älteren Vereinsmitglieder stammt.

Im Jahre 1951 wurde der erste "Nachkriegsausflug" durchgeführt. Mit dem Bus ging es über zwei Tage nach Dernau an die Ahr. Dernau ist vielen wegen seiner guten Weinlagen (nördlichstes Rotweinanbaugebiet in Deutschland) aber auch als Standort des sogenannten Regierungsbunkers bekannt. Die Fahrkosten betrugen damals inklusive Übernachtung 10DM. Der heute lächerlich gering erscheinende Betrag war damals ein ernstzunehmender Faktor, da die Stundenlöhne sich zwischen 1 - 2 DM bewegten. Um das Übernachtungsgeld zu sparen, haben einige Teilnehmer ihre Zelte am Uferbereich der Ahr aufgeschlagen. Da wildes Campen damals noch nicht verboten war, konnten so 2DM gespart werden.

An die schon traditionell seit der Vereinsgründung bestehende kamaradschaftliche Verbundenheit mit dem Schützenverein Sandbochum 1850 e.V.  konnte nach dem Zweiten Weltkrieg angeknüpft werden. Praktisch alle Veranstaltungen und Ausmärsche fanden ihre musikalische Begleitung u.a. durch unseren Spielmannszug. So ist es nicht verwunderlich, dass drei Schützenkönige resp. Kaiser aus den Reihen des Spielmannzuges kamen.

Darüberhinaus hat es in unserem Verein einige ernstzunehmende "Königsaspiranten gegeben", denen das Quäntchen Glück zum Königsschuss nur knapp entging. Die erwachsenen Spielleute sind gleichzeitig auch Mitglieder im Schützenverein, einige auch mit besonderen Funktionen.

Die Interessengemeinschaft der örtlichen Vereine, die auch von unserem Spielmannszug nachhaltig unterstützt wird, hat sich zu einer tragenden Säule im Gemeindeleben entwickelt. Ohne ihre Aktivitäten wäre Sandbochum ärmer.

Die stets guten kontakte zur Feuerwehr gehen bis auf das Gründungsjahr zurück. Schon damals wie heute sind viele Mitlgieder in der Freiwilligen Feuerwehr aktiv. Zur großen Überrraschung und Freude konnte Karl-Heinz Biermann die original Feuerglocke von der ersten pferdegezogenen Sandbochumer Handlöschpumpe anlässlich des 75 jährigen Jubiläums in die Hände der Feuerwehrkameraden zurückgeben. Nach Anschaffung einer Anhängermotorspritze in den 50er Jahren war das ausgediente Gerät von der Familie Biermann käuflich erworben worden. Gemeinsam veranstaltete Grilabende sowie der Tanz in den Mai sind Ausdruck eines guten kameradschaftlichen Miteinanders.

Die Nähe zum Bergbau, der auch für einige Kameraden Arbeitgeber war, brachte es mit sich, dass in den 50er Jahren auf Einladung des Knappenvereins Bruderkette Rünthe zahlreiche Knappenfeste und Festumzüge im fast gesamten Ruhrgebiet musikalisch begleitet wurden. Ziele waren u.a. Lünen, Dortmund, Essen, Bottrop und Castrop-Rauxel. Unter der Knappenvereinsführung von Heinrich Dröge wurde so mancher Fahnennagel mit den Worten überreicht: „Der lange Rede kurzer Sinn, nimm den Nagel und hau ne rin!“

Neben dem Kontrast der Bergmannsfeste war das Bühnenspiel der Kapellen eine musikalische Bereicherung und Standortbestimmung für den Spielmannszug.

Seit vielen Jahren verbindet uns eine herzliche Kameradschaft mit dem Schützenverein Herringen-Nordherringen 1863 e.V. Bei unserem ersten Auftritt 1957 hätte keiner die Prognose gewagt, dass ein derartig langer Zeitraum folgen würde. Die jährlichen Ausmärsche und Schützenfeste sind zu einem festen bestandteil unseres Veranstaltungskalenders geworden. Viele gemeinsame Unternehmungen, wie z.B. die Teilnahme an Festen und festumzügen auf dem Emdener Schützenfest, Besuche in der Partnergemeinde Neufchateau mit Besuch der Gedenkstätte des I. Weltkriegs, wie auch der Geburtsstätte der Französischen Freiheitsheldin Jan d'Arc – besser bekannt als „Jungfrau von Orlean“ - waren außergewöhnliche Höhepunkte.

Neben den traditionellen Aktivitäten unseres Spielmannzuges im Einklang mit den Schützenvereinen gab es auch weniger bekannte Ausmärsche wie z.B.

  • 1958 Rosenmontagszug in Bergkamen

  • 1959 Tag der Heimat in Hamm

  • 1960/61 Rosenmontagszug in Hamm

  • 1960 Kundgebung 1. Mai in Kamen

  • 1980-91 Kundgebung 1. Mai in Bergkamen

 

Aufgrund vieler Kontakte zu befreundeten Vereinen wurde 1960 ein großes Spielmannszugtreffen durchgeführt. Hierbei könnten neben den Vereinen aus der nachbarschaft auch Spielleute aus Bochum und Castrop-Rauxel begrüßt werden.

Das Jubiläumsfest anlässlich unseres 50jährigen Bestehens wurde im September 1972 gefeiert. Wir konnten an diesem Tag noch einige Vereinsgründer beglückwünschen und mit Ihnen viele Erinnerungen austauschen. Das Fest fand am Samstag, den 16.9.1972 unter Mitwirkung der befreundeten Nachbarvereine, der Sandbochumer Bevölkerung sowie den Gästen in den Räumen der umgebauten Römerschen Scheune statt. Bei reger Beteiligung und guter Stimmung wurde bis in den Morgen gefeiert.

Am Sonntag konnten sich die Kinder der Schützen und Spielleute auf vielerlei Art im Rahmen eines Kinderfestes vergnügen.

Zum Ausklang des Jubelfestes wurde am Montag ein Heimatabend gefeiert. Das stürmische Wetter konnte der Stimmung in den etwas zugigen Räumen keinen Abbruch tun. Weit nach Mitternacht verließen die letzten Gäste den Feierraum.

Stark aufböende Winde brachten in den frühen Morgenstunden des 19. September 1972 die Scheune zum Einsturz.

Nach der Vereinsgründung war das heutige Landgasthaus Römer bis zur Unterbrechung unser Vereinslokal. Danach traf man sich im Gasthof Römerlager von Franz und Erna Gustas zu den wöchentlichen Übungsabenden und Ausbildungszusammenkünften. Zwischenzeitlich wurde wieder einige Jahre bei Römer sowie in den Vorräumen der Schule geprobt.

Nach dem frühen Tod unseres Vereinswirtes Franz und dem Verkauf des Familienbesitzes hat der Spielmannszug ein neues Domizil in der Begegnungsstätte (Alte Schule) gefunden. Für die Ausbildung der Jugendlichen hat sich diese Konstellation als äußerst positiv herausgestellt. Wie schon Wilhelm Busch bemerkte, ist musizieren oftmals mit Lärm verbunden, besonders wenn man es erlernt.

In den heutigen Zeiten mit ihren vielen Empfindlichkeiten würde eine Gaststätte mit dem Übungsbetrieb eines Spielmannszuges als Zumutung empfunden werden. Umso größer ist unser Dank an die Familie Gustas, die uns über lange Jahre ein vorzügliches und tolerantes Vereinslokal waren.

Neben den größeren Fahrten gab es im Vereinsleben auch kleinere gemütliche Ereignisse, wie z.B. das Campen mit den Jugendlichen am Fischteich des Spielkollegen W. Budde in Werne.

1987 anlässlich unseres 65jährigen Bestehens konnten die passiven Mitglieder im Rahmen einer Kremserfahrt ein „Teichfest“ miterleben.

Unsere Chronik wäre unvollständig, würden wir nicht unseres Spielkollegen Emil Bußmann gedenken, der allzu früh verstorben ist. Sein unermüdlicher Einsatz in Belangen des Vereins, sei es Ausbildung, Einübung neuer Märsche oder Beschaffung von Naturfellen in den frühen 50er Jahren sind unvergessen. Um den Spielleuten manchmal einen von ihm ausgewählten Marsch schmackhaft zu machen, hat er zu einer List gegriffen und einfach den Titel geändert. So wurde beispielsweise aus dem traditionsreichen Hacketeuer-Marsch der Schwarzwälder-Marsch.

Ebenso unvergessen bleibt uns der langjährige Spielkollege Emil Kordt, der uns auf seinem Anwesen bei vielen Gelegenheiten ein guter Gastgeber war.